Das neue „Grand-Strategy-Spiel“ von Paradox Interactive versucht das Gefühl alter Genreklassiker aufleben zu lassen und scheitert

Imperator: Rome ist wie ein hoch pubertierender Teenager. Man will ihn lieben, man sieht doch soviel Potential in ihm, aber er macht es einem wirklich schwierig.  Stundenlang kann ich mich geradezu kindisch an meinem erblühenden Reich erfreuen, bis mir wieder einer der zahlreichen Makel auffällt und die Laune verdirbt. Und das bei einer optisch so überzeugenden Darbietung und einem scheinbar so ausgeprägtem Tiefgang! Doch wie so oft trügt der schöne Schein.

Macht in Zahlen

Das Entwicklerstudio von Paradox Interactive hat in Imperator: Rome eine Mechanik wiederverwendet, welche sich bereits in vergangen Spielen immer wieder einschlich: Machtpunkte. Diese Punkte sind praktisch unser Ressourcen-Pool, neben dem schnöden Mammon, aus welchem wir jegliche Aktionen bezahlen müssen. Einen Krieg erklären? Redekunstpunkte bitte. Einen Bürger zur eigenen Kultur konvertieren oder eine Forschung erlangen? Das macht dann Zivilmachtpunkte. Ähnliche Punkte gibt es auch für Militär und die Religion unserer Wahl.

Auf den ersten Blick erscheint das Ganze kaum problematisch, funktioniert doch beinahe jedes Strategiespiel mit einer Art Ressourcen Pool den es zu managen und zu erweitern gilt. Doch hier kommt das große ABER. Wir bekommen lediglich so viele Machtpunkte wie unser Anführer produziert. Dieser hat eine von Anfang an vorgegebene und nicht veränderbare Skillverteilung die uns Monatlich mit Punkten beglückt. Schwächeln jedoch manche Bereiche wie beispielsweise sein Charisma, welches uns monatlich Redekunstpunkte liefert, so müssen wir teilweise gleich Jahre darauf warten bis wir jemandem ordentlich den Krieg erklären können. Auf eine andere Art und Weise lassen sich die Machtpunkte nicht verdienen, wir sind also vollkommen auf das Geschick unseres Anführers angewiesen, welches wir nicht beeinflussen können. 

Teilweise mag sich das Gefühl einen starken Anführer zu haben wirklich gut anfühlen, jedoch ist die Frustration auf die bitter benötigten Punkte Jahrelang warten zu müssen mindestens ebenso frustrierend. Ich habe bereits zahlreiche Spiele gespielt in denen ich mir wünschte mein Anführer würde möglichst jung sterben um einen geeigneteren Nachfolger präsentiert zu bekommen. Einen Nachfolger, wohl gemerkt den wir oft nur aus einem sehr engen Pool aus Verwandten oder freundlicher Klanführer wählen können, dass heißt wenn uns überhaupt eine Wahl bleibt. Da fühlt es sich eher so an eine Charakter Tombola zu spielen, als ein „Grand-Strategy-Game“.        

Ein mehr als holpriger Einstieg

Auch das Argument Paradox wolle ihre Spiele für Genre Neulinge attraktiver machen indem viele komplexere Mechaniken aus den Klassikern der Reihe, leichter verdaulich aufbereitet werden wirkt nicht stichhaltig. Denn nicht nur sind diese Gameplay Funktionen wie die Machtpunkte oder das neue Städtebausystem, auf das ich später noch genauer eingehen werde, langweilig und teilweise sogar frustrierend, auch auf das Tutorial wurde kaum Wert gelegt. 

Alles was Einsteigern hier geboten wird ist der Anfang einer Partie mit Rom, bei welcher wir stumpf eine Checkliste abarbeiten müssen. 10 Trainingscamps bauen? Check. 10 Kohorten ausheben? Check. Dabei kommt weder Spannung, noch Spielfreude auf, nicht mal vertont ist das Tutorial, stattdessen müssen wir uns mühselig durch Anweisungsfenster schmökern. Und selbst wenn all dies noch halbwegs aushaltbar wäre, hat der Einstieg ein Manko, welches unmöglich in einem Trippel A Titel existieren darf. Das Tutorial erklärt gerade mal die aller aller grundlegendsten Basics und das bestenfalls rudimentär! Keine der tiefergehenden Mechaniken wie  Diplomatie, Politik, Kultur, Religion oder Staatsformen werden auch nur angerissen! Nur durch das selbstständige Recherchieren auf dem Imperator: Rome Wiki und dem schauen zahlreicher Youtube Tutorials konnte ich das Spiel tatsächlich so spielen wie es eigentlich gedacht ist. Das überladene und unintuitive Interface trägt ebenso seinen Teil an der Misere. Einsteigerfreundlichkeit Fehlanzeige!

Der Anschein von Tiefgang

Auf den ersten Blick beeindruckt Imperator: Rome mit einer gigantischen Weltkarte, aufgeteilt in hunderte separat getrennt Reiche von der westlichsten Landzunge Spaniens bis ins östlichste China. Mit dieser abnormalen Fülle an möglichen Startpunkten und Kulturen verspricht Rome tausende, wenn nicht sogar zehntausende völlig unterschiedliche Erfahrungen zu bieten. Leider täuscht auch hier der Schein. Wir können zwar jede der existierenden Fraktionen auswählen und spielen, aber Abwechslungsreichtum und Tiefgängigkeit vermissen wir schmerzlich. Denn alle der knapp 400 Fraktionen haben eine von drei möglichen Regierungsformen – Republik, Monarchie oder Stämmeherrschaft.

Dabei gibt es keinerlei Unterschiede zwischen den einzelnen Regierungsgruppen, eine Monarchie auf Kreta funktioniert nach exakt dem selben System wie eine in Afrika. Stämme in China und Stämme in Germanien spielen sich geradezu identisch, nur das regionale Umfeld ist selbstverständlich anders. Daher schadet diese politische Unflexibilität dem Wiederspielwert, sowie dem Alleinstellungswert der Fraktionen. Es gibt zwar sogenannte „Entscheidungen“, welche fraktionsspezifische Sonderaktionen erlauben, wie der Gründung eines Großreiches, jedoch sind diese Entscheidungen und die Voraussetzungen für ihre Durchführungen auch für viele Nationen identisch. 

Repetitiv und Eingeschränkt

Und auch beim Mikromanagement unserer Reiche stehen uns leider nur sehr begrenzte Möglichkeiten zur Verfügung. In der Religion können wir von Zeit zu Zeit ein „Omen“ aktivieren, welches uns über einen langen Zeitraum hinweg einen Buff bezüglich eines von uns ausgewählten Bereichs gewährt. Diese Boni bleiben für alle Völker über den gesamten Spielverlauf hindurch identisch und können höchstens leicht gestärkt werden.

Trotzdem ist die Wahl ob wir beispielsweise lieber in Disziplin für unsere Truppen oder doch lieber in höhere Steuereinnahmen investieren wollen nicht uninteressant und verlangt jedes Mal aufs Neue wieder genaues überlegen und abschätzen. Schlechter sieht es bei den Bauoptionen aus. Wollen wir unser Reich so richtig in Schwung bringen und unser Geld dafür investieren unsere Städte auszubauen, dann stoßen wir ziemlich schnell an unsere Grenzen. Die Anzahl an Gebäuden pro Stadt ist an die jeweilige Einwohnerzahl gebunden. Soweit stellt das kein Problem dar, jedoch haben wir bei ALLEN Fraktionen nur eine Auswahl aus vier immer gleich bleibenden Gebäuden. Marktplatz, Trainingslager, Festung oder Kornspeicher. Dadurch kommt weder strategischer Tiefgang, noch Spielfreude auf. 

Licht am Ende des Tunnels

Auch wenn ich mich sehr oft über Imperator: Rome geärgert habe und mir dachte: „Das geht doch besser!“, gibt es trotzdem Hoffnung für Genrefans und Quereinsteiger zugleich. Denn auch wenn vieles nicht perfekt ist, biete das Spiel eine solide Grundlage auf der Aufgebaut werden kann. Paradox Interactive hat bereits angekündigt in Zukunft freie Content Patches herauszubringen und der am Tag nach dem Release erscheinende Hotfix ging bereits auf Spielerbeschwerden ein.

Außerdem schafft es Imperator: Rome durchaus an einigen Fronten zu überzeugen. Das Militär und der Kampf leiden zwar unter den gleichen Kinderkrankheiten, namentlich keine Unterschiede zwischen den Fraktionen und ein schlechtes Interface, Spaß macht der Kampf trotzdem. In unseren Feldzügen müssen wir auf zahlreiche Faktoren acht geben, Bündnisse schließen und den Gegner ausmanövrieren. Doch auch die zivile Administration unserer Untertanen kann richtig Spaß machen. Denn jede Fraktion hat ein Volk, welches aus vier verschiedenen Gesellschaftsgruppen besteht und jeweils bestimmte Boni auf beispielsweise Steuereinnahmen oder unseren Forschungswert geben. So ist eine größtenteils auf Sklaven basierende Gesellschaft zwar vorteilhaft für den schnöden Mammon, jedoch leiden unsere Forschungspunkte, haben wir nicht ausreichend Bürger in unseren Städten. Somit ergeben sich interessante Entscheidungen für uns, auf welche Art und Weise wir unsere Gesellschaft und folglich unser Reich, strukturieren wollen. 

Wie ich einleitend erwähnte, man will es lieben, es hat doch so viel Potential!

Mochten wir:

 

Mochten wir nicht:

 

Imperator: Rome biete ein grundsolides Fundament für ein grundsolides Spiel. Nur ist es dieses Spiel leider noch nicht. Es stimmt an vielen Enden und Ecken noch nicht so richtig überein, gerade Dinge wie das Tutorial oder das Interface werfen Fragen darüber auf, ob sich das Spiel vielleicht doch noch in der Beta befindet. Trotzdem können viele großartige Ansätze nicht ignoriert werden, weshalb meine Empfehlung für alle Interessierten lauten: Wartet noch ein bisschen, bis sich Paradox um die schwerwiegendsten Probleme gekümmert hat und wagt den Sprung in die „Grand-Strategy“!

Wertung:

6/10

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Consent Management Platform von Real Cookie Banner